Veranstaltungskonzept

Veranstaltungskonzept

Vor dem 40.Jahrestag der DDR-Gründung wurde in den DDR-Medien weder von Protesten gegen die SED-Staatsführung noch von Flüchtlingen in BRD-Botschaften der Nachbarländer berichtet. Als die Bevölkerung durch westdeutsche Nachrichtensender davon erfuhr, gab man nur wenige Demonstranten zu und stellte sie als Randalierer dar. Mit Gewalt versuchten die DDR-Sicherheitskräfte, die Demonstrationen und Friedensgebete zu verhindern. Die Verhaftung von Regimekritikern lösten Angst und Verzweiflung bei Veränderungswilligen aus.

Die Menschen in Ost-Berlin, Leipzig und Dresden gingen ungeachtet dieser Gefahren auf die Straße. Doch die friedliche Revolution fand nicht nur in diesen Orten statt, sondern bestand aus vielen kleinen Revolutionen in den Städten und Gemeinden der DDR. Was in den Großstädten vorgelebt wurde, musste auf dem Lande aufgegriffen, nachvollzogen und durchgesetzt werden. Erst dadurch wurden die Ergebnisse der Revolution unumkehrbar. Lokale und regionale Ereignisse wurden so oft Impulsgeber für den gesamten Zerfallsprozess des DDR-Regimes. Eine Reihe von Veröffentlichungen befasste sich in den vergangenen Jahren mit dieser Besonderheit. Über Bischofswerda und den ehemaligen Landkreis Bischofswerda gibt es keine vergleichbare Publikation. Die wichtigsten Daten und Quellen wurden bisher kaum gesichert.

Das Zeitzeugenprojekt zur „Friedlichen Revolution im Raum Bischofswerda“ widmet sich deshalb der Erforschung und Darstellung der politischen Ereignisse der Jahre 1989/90. Als Veranstaltungsform dafür wurde die Methode des „Erzählcafés“ gewählt.

Die Methode des Erzählcafés (EC) beruht und beruft sich auf Erkenntnisse der Biographieforschung und der Oral History. Sie ist eine Methode biographieorientierter Erwachsenenbildung und benötigt spezielle Rahmenbedingungen und Qualitätsstandards. Das Erzählcafé lässt sich am besten als moderiertes biographisches Rundgespräch beschreiben.

Folgende Ablaufstruktur[1] liegt der Bischofswerdaer Erzählcaféreihe zugrunde:

  • Begrüßung der Teilnehmer, Vorstellung des Einstiegserzählers und Einstimmung auf das Thema durch den Moderator
  • Die Einstiegserzählung erfolgt danach im Gespräch mit dem Moderator oder  als „im Block“ erzählte Geschichte.
  • Nach der Einstiegserzählung sind die „Zeitgenossen“ aufgefordert, ihr damaliges Erleben zum Thema beizutragen.
  • Im vierten Schritt sollen Jüngere mit ihren Fragen oder mit ihrer Sicht bzw. mit eigenem Erleben zu Wort kommen.
  • Im nächsten Schritt wird der Bezug zur Gegenwart bzw. zur Zukunft hergestellt
    • Welche Bedeutung hat die Erinnerung für das heutige persönliche bzw. politische Leben?
    • Welches Fazit und welche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich aus diesen Überlegungen?
  • Das Erzählcafé wird mit einer Feedback-Runde, dem sogenannten „Blitzlicht“, beendet.
  • Die Nachbereitung der Veranstaltung dient u.a. der Weiterentwicklung des Zeitzeugenforums und der Sicherung des Zeitzeugenkontaktes.
  • Im Bischofswerdaer Zeitzeugenprojekt kommen drei Erzählcafé-Typen zur Anwendung: 
  • Das öffentliche Erzählcafé als monatliches Angebot in den Räumen des Kooperationspartners, der Begegnungsstätte der Volkssolidarität Bischofswerda/Bautzen,
  • das „geschlossene“ Erzählcafé für Themen, die einen geschützten Raum erfordern und zielgruppenspezifisch angelegt sind (z. B. die Stasi-Akten-Einsicht als kritisches Lebensereignis),
  • das „kleine“ Erzählcafé als Forum für die Zeitzeugen zur Darbietung eigener Lebensabschnitte und zur Erprobung subjektbezogener Darstellungen in einem ersten halböffentlichen Rahmen (A.B.).   

Ziele im Einzelnen

Mit der Erzählcaféreihe zur „Friedlichen Revolution 1989/90 im Raum Bischofswerda“ sollen vor allem: 
  • der Ablauf der friedlichen Revolution im ehemaligen Kreis Bischofswerda erforscht und dargestellt werden,
  • Zeitzeugen ein strukturierter und moderierter Rahmen geboten werden, sich über die DDR in den 80er Jahren und zur friedlichen Revolution auszutauschen und ihre Lebensleistung angemessen darzustellen,
  • der teilnehmenden jüngeren Generation die geschichtlichen Entwicklungen dieser Zeit veranschaulicht und Anregungen für die eigene Lebensbewältigung gegeben werden,
  • der schulische Geschichtsunterricht zum Thema friedliche Revolution durch Zeitzeugenberichte ergänzt werden,
  • den begleitenden Geschichtslehrern regionale Bezüge zu den Ereignissen in der DDR der 80er Jahre und während der friedlichen Revolution angeboten werden,
  • soziale Kontakte und Kompetenzen, Rhetorik und Erinnerungsvermögen bei allen Beteiligten erweitert und intensiviert sowie die generationsübergreifende Akzeptanz und Toleranz gefördert werden,
  • der Grundstock für ein digitales Zeitzeugenarchiv zur friedlichen Revolution im Raum Bischofswerda und für einen Internetauftritt gelegt werden (A.B.).

[1] Ablaufstruktur nach Meyer, Regina in: Zeitschrift Außerschulische Bildung – Fachzeitschrift für politische Jugend- und Erwachsenenbildung des AdB, 2-2007, S. 224-228